Anna Jermolaewa

Quartet, 4-channel Videoinstallation, 1-4 min., Loop, 1999

Quartet
Ansicht: Im Pavillon, Wels, 2002
Quartet
Ansicht: Im Pavillon, Wels, 2002
Quartet
Ansicht: Im Pavillon, Wels, 2002
Quartet
Installationsansicht: "Recent acquisitions", Stedelijk Museum, Amsterdam / Foto: Peter Kögler

„Das Quartett“ eine Orchestrierung zwischen Du, Ich, Amok und Simulation
In der Atomphysik ist die „kritische Masse“: die kleinste Masse an Spaltstoff, bei der eine Kettenreaktion von Kernspaltungen ohne äußere Einflüsse aufrecht erhalten bleibt. Die Internet-ökonomie verwendet diesen Begriff als „law of increasing return", um die Anzahl an Usern zu bezeichnen, die ein Internet-Unternehmen schnellstmöglich an sich binden muß, damit es Standards setzen und die Marktführerschaft übernehmen kann. Das Prinzip der selbst gesteuerten Partizipation ist auch für politische Macht wichtiger geworden. Jean Baudrillard, der attestiert, daß in zentralistischen Machtgefügen die Trägheit der Masse optimaler Wirkungsgrat war, notiert, daß die Schwelle der „kritischen Masse“, in Involution des Sozialen aus Trägheit, überschritten ist.1 Wie für die Wirtschaft wird ein User-Profiling zur Lenkung der Masse evident, den ansonsten ist das Interaktionsmodel der Legislative unterbrochen. Meinungsumfragen entwerfen ein Simulationsmodell für dessen Aktionsradius. Anna Jermolaewa setzt mit ihrem Video „Das Quartett“ genau an dieser Schnittstelle an, in der das System der verordneten Kontrolle und Einflußnahme ins Wanken kommt und die „kritische Masse“ in ein Stadium des Amoks überlaufen kann. Die Künstlerin verhandelt in ihren Arbeiten die Konturen eines konsum- und livestyle orientierten politischen Netzwerks und bespricht exemplarisch anhand der Stofftiermusikanten unsere soziale Prägung in den politischen und Gender bezogenen Codes unsere Lebenswelt, die täglich die Normierung unserer Verhaltensmuster von Neuem evaluieren.
Karin Pernegger in: rotor, association for contemporary art, Jahrbuch 2001, Graz, S. 78-79.