Anna Jermolaewa

MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT, permanent Installation, Graz, 2016

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MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT
Ansicht: Karl Franzens Universität Graz, 2016
MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT
Ansicht: Karl Franzens Universität Graz, 2016
MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT
Ansicht: Karl Franzens Universität Graz, 2016
MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT
Ansicht: Karl Franzens Universität Graz, 2016
MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT
Ansicht: Karl Franzens Universität Graz, 2016

Körperliche Konditionierung, Selbstdarstellung und Positionierung zur Machtbestätigung und deren Erhalt ist an Monumenten eindringlich präsent. Dieser an öffentlichen Stellen aufgestellten Verbildlichung von Macht folgt an Zeitenwenden breite Zerstörung derselben. Wenn man aber die eigene Geschichte aus den Augen verliert, verdrängt oder deren Symbolik gewaltsam vernichtet, liegt in dieser Entsorgung keine Aufarbeitung, sondern sie ist Indiz für zukünftige autoritäre Regimes.

Geschaffen nach einem etablierten Kanon ist männlich dominierte Geschichtsschreibung begleitet von im öffentlichen Raum zentral positionierten Denkmälern, beauftragt von Machthabern zur Untermauerung ihres Ruhmes. Diesem Kanon gemäß sind im europäischen Kontext seit Marc Aurel Reiterstandbilder Heerführern und Herrschern vorbehalten, Standbilder Rednern und Politikern. Die Multiplizität, also Großauflage kopierter Standbilder ist kennzeichnend für restriktive autoritär geführte Regimes. Die Vernichtung solcher aber auch anderer religiös oder kulturell wichtiger Identifikationsdenkmäler als Zerschlagung eigener und Demütigung fremder Geschichte kehrt als Bildersturm immer wieder.

„Generell“, sagt Anna Jermolaewa „führt wohl jede historische Umwälzung zu einem gewissen Ikonoklasmus. Aber das Aufleben eines neuen, zeitgenössischen Ikonoklasmus kommt laut Boris Groys aus Russland, wo man begann, die Lenindenkmäler zu stürzen. Durch die Amerikaner wurde dieser Ikonoklasmus in die arabische Welt transportiert, welche diesen in der postsowjetischen ära gesehen hatten und als diese den Irak besetzten, ebenfalls begannen, die Denkmäler von Saddam Hussein zu stürzen. Der Sturz eines dieser Denkmäler wurde zur Ikone der amerikanischen Besetzung des Iraks. Auch ISIS, die zunächst noch von den USA gegen das Regime Assads, genau wie Al Kaida zunächst noch gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans unterstützt wurde, haben diesen zeitgenössischen, russischen und osteuropäischen Ikonoklasmus übernommen. Laut Groys sei daher der moderne Ikonoklasmus im Wesentlichen ein postsozialistisches Phänomen.“*

Anna Jermolaewa, 1970 in Leningrad, heute St. Petersburg geboren, musste ihre Heimat als Mitbegründerin der Zeitschrift Demokratische Opposition 1989 verlassen und erhielt politisches Asyl in österreich.

In ihrer Arbeit verbindet sie eigene Erfahrungen mit analytischer Dekonstruktion totalitärer Systeme. Deren Strategien, Symboliken und Rhetorik, individuelle und kollektive Gedächtnisse werden untersucht, deren Indoktrination enttarnt.

Allein im Jahr 2015 wurden in der Ukraine mehr als 500 Leninstatuen gestürzt, eine davon, außen bronzefarben bemalt, innen hohl, brachte Jermolaewa in ihr Asylland und hinterfragt damit bizarre Ausformulierungen des Anspruchs und des Scheiterns in entlarvender und ironischer Sicht.

Konsequent daraus resultierend errichtet sie nun im MONUMENT TO A DESTROYED MONUMENT einem zerstörten Denkmal ein Denkmal, in dem sich Tragik mit Komik verbindet. Konkret lässt sie Podest und verbliebene Reste des Dargestellten, also jene Teile, die nach dem Denkmalsturz bestehen bleiben, neu in Beton gießen. Damit wird die Absurdität imaginärer Machtüberhöhung, die nach wie vor bestehen bleibt ebenso erfahrbar, wie deren Intention trotz aller Gräuel totalitärer Regimes mit Witz untergraben wird.

Dem Paradoxon, demzufolge Menschen nach wie vor an den Resten der Monumente Blumen niederlegen oder vorhandene Beete pflegen, wird jenes der Errichtung einer Verdoppelung der Ruine einstigen Ruhms gegenübergestellt.

Unmittelbar vor dem Institut für Geschichte an der Karl Franzens Universität Graz aufgestellt verbindet sich in dieser Arbeit politische Kritik mit der Freilegung historischer Strukturen und menschlicher Grundmuster, die im Fehlen der dargestellten Hauptperson nicht nur als Gesellschaftsanalyse überall Gültigkeit hat, sondern auch Fragen nach Sockel und Kunstwerk, nach der Aura eines Ortes sowie der Produktionsstätte und der Bedeutung von Kunstwerken stellt.

Elisabeth Fiedler

* Boris Groys: «За пределами США нельзя объяснить ничего, кроме Супермена», Interview in Afisha, 25.03.2015